Letzter Zug Gedser – Kopenhagen
12. Dezember 2009 | Von Marcel Drews | Kategorie: ThemenAnlässlich des europaweiten Fahrplanwechsels am letzten Wochenende fuhr am Samstag, dem 12.Dezember, möglicherweise letztmalig ein fahrplanmäßiger Reisezug vom dänischen Ostseefährhafen Gedser nach Kopenhagen.
Konkret wurde zwischen Gedser und Nykøbing der Zugverkehr eingestellt. Alternativ müssen Reisende nach Kopenhagen nun den Bus bis Nykøbing mit längeren Reisezeiten nutzen. Über die weitere Existens dieses Bahnstreckenabschnittes wird innerhalb eines Zeitraumes der nächsten 2 Jahre durch das dänische Transportministerium entschieden, wobei schlimmsten Falls auch ein Abbau der Strecke in Frage kommt. Der Grund: Zu wenig Fährgäste auf dem Abschnitt, der zusammen mit Rostock – Berlin und der Fährpassage Rostock – Gedser die bedeutsame europäische Achse Kopenhagen – Berlin tangiert. Seit 1995 der Fährverkehr nach Dänemark von Warnemünde in den Überseehafen Rostock verlegt wurde, konnte dort nur den Anforderungen eines leistungsfähigen LKW-Fracht- und Pkw-Verkehrs entsprochen werden. Das Fährterminal und der Fähranleger befand sich seit fortan für Fußgänger und Radfahrer mehr als 1 km vom S-Bahn-Bahnhof Rostock Seehafen Nord entfernt. Abgestimmte Busverbindungen zwischen S-Bahnhof und Terminal bestanden nur selten, am Wochenende war eine S-Bahn zum erreichen der 9:00Uhr-Fähre nach Gedser um 7:34Uhr ab Rostock Hbf seit Jahren gar nicht im Fahrplan zu finden. Zuletzt war bis zum Fahrplanwechsel auf der Alternativstrecke über Lütten Klein ebenfalls keine akzeptable Verbindung verfügbar: Der Stadtbus der Linie 45 (8:39Uhr ab Lütten Klein) kommt 8:50Uhr am Fährterminal an, während 8:45Uhr bereits der Terminalbus von dort zur Fähre abfährt. Warum eine Ankunft nicht auch um 8:30Uhr möglich ist, wie eine Stunde früher (Lütten Klein ab 7:19Uhr, Fährterminal an 7:30Uhr), bleibt ein Rätsel.
Die generelle Anbindung der Ostseefähren sollte jedoch durch die S-Bahn-Linie 3 erfolgen. Die S-Bahn-Personenverkehrsstrecke zum Fährterminal ist auch dringend nötig, um sie überhaupt langfristig zu erhalten und damit Reisenden von/nach Skandinavien auch eine Alternative zum motorisierten Individualverkehr anbieten zu können. Dabei sind kurze Verbindungswege zwischen S-Bahn und Fährterminal sowie Fähranleger anzustreben, um zeitlich kurze Übergänge zwischen Hauptbahnhof und den Fährschiffen für attraktive Verbindungen zu gewährleisten. Da dies in Rostock seit längerem nicht mehr gewährleistet ist, haben sich die Reisendenströme Berlin – Kopenhagen im Eisenbahnverkehr weitgehend über Hamburg verlagert. Bereits seit Dez. 2007 verkehrt ein ICE-Zugpaar Berlin – Hamburg – Kopenhagen.
Um überhaupt wieder eine Verlagerung auf die ehem. traditionelle Route über Rostock zu erreichen und die Wirtschaftsbeziehungen in die Öresundregion Kopenhagen/Malmö ausbauen zu können, ist es insbesondere möglich, die S-Bahn im Takt der Fähren (alle 2 Stunden) im Seehafen Rostock direkt neben die Fähre nach Gedser fahren zu lassen. In Gedser sind bzw. waren die Vorraussetzungen bereits erfüllt. Damit können besonders kurze Übergänge und damit schnelle Reiseketten im öffentlichen Verkehr auf der Achse Berlin – Rostock – Gedser – Nykøbing – Kopenhagen angeboten werden.Als weiteres Beispiel kurzer Wege für kurze Übergangszeiten zwischen Bahn und Fähre sei hier auf den schwedischen Ostseehafen Ystad verwiesen, bei dem sich der Fähranleger der Fähren nach Bornholm direkt gegenüber dem Bahnhof der InterCity-Züge Ystad – Kopenhagen befindet. Dies resultiert aus einer speziellen Maßnahme zur Optimierung der Reiseketten zwischen dem dänischen Festland und der Insel Bornholm. Wäre ohne Optimierung noch ein zusätzlicher Busshuttel zwischen Intercity und Fähranleger hätte dies längere Reisezeiten und einen zusätzlichen Umsteigevorgang zur Folge, der die intercity-Verbindung unattraktiv und damit deren Existens in Frage gestellt hätte. So lange über die Existens des Streckenabschnittes Gedser – Nykøbing nicht entschieden wurde, bleibt Zeit für Rostock und Mecklenburg-Vorpommern beste Chancen für eine attraktive Anbindung des öffentlichen Personenverkehrs nach Dänemark/Skandinavien zu nutzen und nicht abgekoppelt zu werden. Hierzu sollten die Weichen für eine attraktive S-Bahn-Anbindung im Seehafen recht bald gestellt werden. Auch auf dänischer Seite wäre man dann eventuell nicht abgeneigt, wieder durchgehende Züge Gedser – Kopenhagen mit kurzen Übergängen im Takt der Fähren anzubieten. Derzeit ist der Ausbau der Bahnstrecke Berlin – Rostock in vollem Gange, gefördert mit Finanzmitteln der EU. Die Ausbauplanung resultiert offiziell noch immer auch vor dem Hintergrund, die Eisenbahnanbindung nach Dänemark wieder zu stärken. Sollten diese Bemühungen zur Fertigstellung im Zeitraum 2013 – 2015 dann umsonst gewesen sein, wenn die dänische Regierung eine Entscheidung für den Streckenabbau trifft, weil auf deutscher Seite keine attraktiven Reiseketten für Fußgänger und Radfahrer umgesetzt werden?